Als einige Jahrhunderte später Mönche das Christentum in ganz Europa verbreiteten, brachten sie neben der Religion vielfältige Kenntnisse mit. Sie kultivierten den Weinanbau und die Landwirtschaft, züchteten neue Pflanzen und gaben ihr Wissen über Kräuter und Heilpflanzen weiter.
Im Mittelalter wurde der Spießbraten, den schon die Urmenschen kannten, verbessert und vielfältige Rezepte brachten Geschmacksvariationen. Ganze Tiere wurden am Spieß gebraten, insbesondere Wildschweine, Hirsche und Rehe. Bis heute ergibt diese Methode des Bratens das beste Ergebnis. Übrigens entstand aus diesen, noch mit Holz beheizten und mit der Handkurbel gedrehten Spießen, auch der Baumkuchen.
Die Gans war schon damals ein beliebtes Bratgut und wurde auch schon mit Äpfeln gefüllt. Der Stockfisch trug den Namen „Fastenfleisch“. Die Gerichte waren häufig überwürzt, Geschmack wurde eher überdeckt als unterstrichen, was an der Qualität der Nahrung oder den schlechten Konservierungsmöglichkeit der damaligen Zeit liegen mochte. Es wurde hauptsächlich mit Honig gesüßt. Zucker und Gewürze gehörten zu den Luxuswaren, und den Händlern brachten sie Reichtum. In Nürnberg wurden sie in Verballhornung ihres Berufstandes „Pfeffersäcke“ genannt.
Mittelalterliche Bankette
Alte Dokumente deuten zu Beginn des Mittelalters auf eine dekadente Üppigkeit beim leiblichen Genuss hin. Karl der Große pflegte allein zu speisen, von seinen Untertanen bedient – eine Gewohnheit, die bis ins 18. Jahrhundert überlebte. Es war auch die Zeit der großen Bankette, „Schauessen“, eine Menüparade hauptsächlich fürs Auge, bei der im Ganzen gebratene Tiere nacheinander vorgeführt wurden. Auch Tischbrunnen waren sehr in Mode. Erzbischof Adalbert von Bremen, der für seinen ausschweifenden Lebensstil trotz leerer Kassen bekannt war, gab z.B. ein Essen für 500 Gäste, serviert in Gold- und Silbergeschirr. Gebratene Schwäne und Pfauen im Federkleid durften nicht fehlen. Man trug Gedichte vor und hörte Musik, tanzende Bären und dressierte Affen rundeten das Bankett ab.
Im Jahr 1486 wurde anlässlich der Krönung von Maximilian zum römischdeutschen König in Aachen ein Volksfest veranstaltet. Auf dem Marktplatz wurden ganze Rinder, Wildschweine und Schafe gebraten und an das Volk verteilt.
Lebensart der Renaissance
Die Renaissance brachte für Deutschland und für ganz Europa einen Reichtum, der der Küche zugute kam. Deutschland hatte sich in dieser Zeit streng organisiert. Zünfte, Gilden und Bruderschaften teilten die Arbeitsabläufe und hielten darauf eine Art Monopol. Produktion und Verteilung wurden streng kontrolliert. In Wismar sollen die ersten Garküchen entstanden sein. Eine Garküche war für das Kochen zuständig, und die andere für das Braten zugelassen. Der Bäcker durfte das Getreide nicht selbst mahlen. Es war auch die Zeit der Vorreiter der Europäischen Gemeinschaft: die Zeit der Hanse. In den rund 70 Hansestädten Nordeuropas florierte der Handel mit Gütern aller Art, darunter viele Lebensmittel. Eine Schicht neureicher Bürger und Kaufleute wetteiferte mit dem Wohlstand des Adels. Großzügige Feste mit sehr vielen Gästen waren nun nicht mehr das Monopol der Könige und Aristokraten.
Seit Mitte des 15. Jahrhunderts – und begünstigt durch den Buchdruck, der erstmals größere Auflagen möglich machte – kam es im Zuge dieser Entwicklungen zur Veröffentlichung zahlreicher Kochbücher oder „traîte de cuisine“. Das erste gedruckte Kochbuch, die „Küchenmaysterey“, erschien ca. 1485 und wurde 200 Jahre lang aufgelegt. Im Jahr 1581 erschien in Nürnberg das „New Kochbuch“ von Marxen Rumpolt, dem Mundkoch des Kurfürsten von Mainz, mit 83 Rinderrezepten, 59 Kalbszubereitungen und 55 Salaten. In der Zeit der Renaissance entstanden neben der Tischkultur weitere Gebräuche zur Verfeinerung des Kochens und des Genusses. Das gebratene Fleisch wurde nicht mehr geschnitten, sondern auf eine bestimmte Weise tranchiert, so dass die Struktur wahrgenommen werden konnte. Bei jedem Tier, von Geflügel bis hin zu Wild und Großwild, wurde festgelegt, wie man es tranchieren und anrichten solle. Das Kandieren von Früchten, das Bearbeiten von Marzipan, eine Tradition der Konditorei, wurde in der Fastenzeit geboren.
Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen
Der Dreißigjährige Krieg führte meiner Ansicht nach zum Bruch mit einer kulinarischen Tradition, wie man ihn im Lauf der folgenden Jahrhunderte noch manches Mal erleben musste. Die Macht und der Reichtum der großen deutschen Städte wurde hinweggefegt. Angesichts der enormen Zerstörungen, die er an Wohlstand und Kultur angerichtet hat, war dieser Krieg eine Katastrophe von Weltrang: Über 15.000 Dörfer wurden völlig zerstört, die Bevölkerung sank von 17 auf 8 Millionen Menschen. Die gesamte Infrastruktur wurde zerstört. Ein ganzes Volk starb an Hunger, Not und Misere. Söldner aus den meisten Ländern Europas, Deutschland inbegriffen, verwüsteten das Land. Allein die Schweden wurden verantwortlich gemacht für die Vernichtung von 2.000 Schlössern, 1.800 Dörfern und 1.000 Städten. Es gab keinen Platz für Esskultur oder Kultur allgemein, und es dauerte sehr lange, bis es wieder dazu kam. Doch Deutschland bewies schon damals seine unermessliche Kraft, sich zu erholen. Stück für Stück wurde das Land wieder aufgebaut, und es entstand eine neue Art zu leben und zu genießen. Die Aristokratie gab den Ton an und bildete eine Hofgesellschaft, die erst nach dem Ersten Weltkrieg ihr Ende fand.
Barockes Savoir-Vivre
Wie das Rom von Kaiser Augustus in der Antike, so galt Paris lange Zeit als Mittelpunkt der europäischen Kultur: Hofzeremoniell, Prachtbauten, Gartenanlagen, Jagd und Spiel übernahm man an vielen Höfen nach dem Vorbild von Versailles. Das Billardspiel, das Schachspiel und auch das neu erfundene Glücksrad war ein beliebter Zeitvertreib. Von 18.00 bis 22.00 Uhr folgte diesen Hofeinladungen das Nachtessen mit einer Üppigkeit und Dekadenz, die den Keim zur Revolution legte.
Die Ausstrahlung von Ludwig XIV. reichte bis an die deutschen Höfe. Feinheit und Mäßigung im Umgang mit Essen und Trinken hatten eingesetzt. Die großen Metallkelche wurden durch Glas und Porzellan ersetzt. Um 1700 gehörten Kaffee, Tee und Schokolade zur feinen Lebensart.
Auch wenn sie teilweise noch mit der Hand geschrieben waren, so tauchten doch immer mehr Kochbücher auf. Unter dem Einfluss von La Varenne, dem großen Koch und Reformator der französischen Küche des 17. Jahrhunderts, kamen feine Gerichte auf den Tisch wie zum Beispiel Tauben und Hasenpastete, ausgeklügelte Fleischragouts mit aufwändigen Beilagen, Kuchen aus Hefeteig, mit Honig, Mandeln und großen Mengen Eiern angereichert.
Zwischen den Höfen Europas existierte ein reger Kulturaustausch. Wenn ein ausländischer Prinz oder ein Fürst zu Besuch kam, folgten mehrere Kutschen mit Garderobe, Bediensteten und Köchen mit geheimen Küchenzutaten und Gewürzen. Was in der Küche des Gastgebers entstand, kann man sich gut vorstellen: ein Austausch von Rezepten, wie er heute üblicherweise zwischen Hausfrauen stattfindet.
Man besuchte sich nicht nur in Palästen, hinzu kam die große Mode der Sommerresidenzen: Schönbrunn bei Wien, Schleißheim und Nymphenburg bei München, Ludwigsburg bei Stuttgart, Moritzburg und Pillnitz bei Dresden, Salzdahlum bei Braunschweig und Herrenhausen bei Hannover. An der Gestaltung der Küchen in diesen prächtigen Schlössern wird sehr deutlich, wie in dieser Zeit aus Mahlzeiten Feste wurden.
Unter Ludwig XIV. war eine Einladung zum Souper nicht immer mit einer gemeinsamen Mahlzeit verbunden. Entweder speiste er allein oder in Gesellschaft von drei oder vier auserwählten Gästen auf einem Podest. Die Zweite-Klasse-Gäste durften eine Ebene tiefer an einem Tisch speisen. Die aus der dritten Klasse mussten als Zaungäste am Buffet stehen und sich damit begnügen, dabei zu sein. Die hierarchische Unterteilung wurde durch verzierte und vergoldete Eisengeländer vorgenommen.
Das Barock fand in vielen Bereichen fruchtbaren Niederschlag, in der Architektur, in der Kunst, in der Möbeltischlerei und in der Porzellanmanufaktur. Das Fürstentum Sachsen gab den Ton an und produzierte das, was man salopp Luxusgüter nennt: prunkvolle Gebäude, Geschirr aus edelstem Porzellan und Uhren mit Kalender, die vom Mechanismus her die Vorreiter der heute dominierenden Schweizer Uhren waren.